Ausgabe Juni 2012

Ein Service der Kanzlei Schotthöfer&Steiner

Von Dr. Peter Schotthöfer
Rechtsanwalt, München

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1. BGH: Auch Gewerbetreibende dürfen flüchtig sein

  • Auch Gewerbetreibende oder Freiberufler können nicht immer aufmerksam sein
  • Sowohl das Unternehmen, das missverständliche Schreiben verschickt als auch dessen Geschäftsführer haften auf Unterlassung

2. OLG München: Meisterpräsenz – Meister muss im Laden sein

  • Ein normal informierter und verständiger Durchschnittsverbraucher geht davon aus, dass in dem Ladengeschäft eines Hörgeräteakustikbetriebes Hörgeräteakustikerleistungen fachgerecht angeboten werden, wenn er das Ladengeschäft betritt
  • Der Verbraucher erwartet nicht, dass der zuständige Betriebsleiter erst kontaktiert oder aus einer anderen Stadt herbeigerufen werden muß

3. OLG Brandenburg: Was im Flyer steht, muss auf Pizza sein

  • Ein Verbraucher geht von dem Bild der Pizza und dem dazugehörigen Preis aus

4. OLG Celle: Goldankauf per Post begründet keine Zuständigkeit

  • Goldankauf per Post ist lebensfremd
  • Dadurch wird keine Zuständigkeit begründet

5. LG Berlin: »Generaleinwilligung« in E-Mail Werbung reicht nicht

  • Einheitliche Einwilligungserklärungen für mehrere Werbeformen sind unwirksam

6. LG Baden-Baden: Übergabe einer Visitenkarte reicht als Einwilligung zur E-Mail-Werbung nicht aus

  • In der Übergabe einer Visitenkarte liegt keine Zustimmung mit Werbung per E-Mail

7. LG Hamburg: Arztwerbung bei Groupon »marktschreierisch«

  • Werbung eines Augenarztes in dem Internetportal »Groupon« im konkreten Fall unzulässig
  • Eine Augenlaserbehandlung war für 999 Euro statt für 4200 € angeboten worden

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1. BGH: Auch Gewerbetreibende dürfen flüchtig sein
Irreführende Werbung liegt vor, wenn ein durchschnittlich interessierter und informierter Verbraucher durch eine Werbeaussage getäuscht wird. Dies gilt auch für Gewerbetreibende, wie der BGH in diesem Urteil feststellte.

Ein Unternehmen versandte Schreiben mit gelb unterlegtem Briefkopf. Dies sei der Entwurf eines Adresseintrages in einem Branchentelefonbuch. Der Empfänger möge die Eintragung überprüfen und gegebenenfalls vervollständigen. Zusätzlich enthielt das Schreiben den Hinweis »Preis p.M. € 89«.

Der BGH war der Meinung, dass durch die täuschende Gesamtaufmachung des Schreibens der werbende Charakter verschleiert werde. Es werde der Eindruck erweckt, die Eintragung sei bereits bestellt.

Dieser Eindruck werde der durchschnittlich informierte, situationsadäquat aufmerksame und verständige Marktteilnehmer gewinnen. Das gelte auch für Gewerbetreibende oder Freiberufler, die nicht grundsätzlich aufmerksam seien. Die stünden nicht selten unter Zeitdruck und nähmen deshalb Angebotsschreiben selbst dann nicht mit der gebotenen Aufmerksamkeit wahr, wenn ihnen noch eine Einverständniserklärung in der Form einer Unterschrift abverlangt werde.

Sowohl das Unternehmen, das das missverständliche Schreiben versandte als auch dessen Geschäftsführer hafteten auf Unterlassung.

BGH vom 30.6.2011; Az. I ZR 157/10
IPRB 2012, S. 75

2. OLG München: Meisterpräsenz - Meister muss (immer?) im Laden sein
Ein Hörgeräteakustiker ging gegen einen Konkurrenten vor, einen Konzern mit vielen Filialen, weil dieser u.a. in der Stadt D. eine Firma für Hörgeräte betrieb. Der Handwerker war sowohl für den Betrieb in der Stadt D. als auch für einen weiteren Betrieb in der 26 km entfernten Stadt G. eingetragen. In der Handwerksrolle fand sich derselbe Geschäftsführer für beide Betriebe als Betriebsleiter. Beide Betriebe hatten von 9:00 Uhr bis 13:00 Uhr von 14:00 Uhr bis 18:00 Uhr geöffnet. Der Betriebsleiter war zum Teil in G., zum Teil in D. tätig.

Das OLG München hielt dies für unzulässig. Ein normal informierter und verständiger Durchschnittsverbraucher G. gehe davon aus, dass in dem Ladengeschäft eines Hörgeräteakustikerbetriebes einem Kunden normale Hörgeräteakustikerleistungen fachgerecht angeboten würden, wenn er das Ladengeschäft betrete. Der Verbraucher erwarte nicht, dass der zuständige Betriebsleiter erst kontaktiert oder aus einer anderen Stadt herbeigerufen werden müsse.

Das Gericht verurteilte daher das Filialunternehmen. Auch zur Erstattung der dem Kläger entstandenen 1250 Euro Detektivkosten wurde das Unternehmen verpflichtet. Diese Kosten waren dem Kläger entstanden, um herauszufinden, in welchem Umfang der Geschäftsführer des beklagten Betriebes in welcher Stadt seine Leitungsaufgaben erfüllte.

OLG München
WRP 2012, S 579 f

3. OLG Brandenburg: Was im Flyer steht, muss auf Pizza sein
Eine Firma, die über mehrere Filialen Pizzen vertrieb, warb dafür in einem Flyer. Darin waren vier Pizzen abgebildet und mit Nummern versehen. Eines der dargestellten Angebote zeigte auf der Vorderseite des Flyers die Pizza »Scheunenfest«, die unter anderem mit frischen Pfifferlingen, Fleischstreifen, Lauch und Broccoliröschen belegt war. Bei der Abbildung fand sich ein Hinweis, in dem der Preis genannt und die Pizzen nochmals beschrieben wurden. In Bezug auf die Pizza »Scheunenfest« war darin zu lesen »Auf Wunsch mit Broccoli. Für nur 1 Euro mehr!«.

Ein Konkurrent klagte dagegen mit der Behauptung, der Verbraucher gehe von dem Bild der Pizza und dem dazugehörigen Preis aus und meine deswegen, dass in diesem Preis die Broccoliröschen enthalten seien. Der erläuternde Hinweis mit der Beschreibung des Pizzabelages ändere daran nichts. Ein Verbraucher müsse bei flüchtiger Betrachtung davon ausgehen, dass für einen abgebildeten Belag kein zusätzlicher Preis verlangt werde.
Das OLG Brandenburg teilt diese Auffassung.

OLG Brandenburg vom 25.1.2011; Az. 6 U 106/10
GRUR-RR 2012,165

4. OLG Celle: Goldankauf per Post begründet keine Zuständigkeit
Ein Unternehmen mit Sitz in der Stadt T. ging gegen ein Unternehmen mit dem gleichen Geschäftszweck in der Stadt W. vor. Beide kauften Gold an. Das klagende Unternehmen warb damit auch auf seiner Internetseite. Das OLG Celle wies die Klage ab, weil zwischen dem Unternehmen in der Stadt T. und dem in der Stadt W. kein (räumliches) Wettbewerbsverhältnis bestehe.

Eine wettbewerbsrechtliche Klage setze voraus, dass die beteiligten Unternehmen sich auf demselben sachlichen, räumlich und zeitlich relevanten Markt betätigten. Dieser Markt werde im wesentlichen durch die Reichweite der Geschäftstätigkeit bestimmt.

Ein solches Wettbewerbsverhältnis lag nach Auffassung der Richter des OLG Celle hier nicht vor. Auch wenn das klagende Unternehmen auf seiner Webseite werbe, dass es Gold auf dem Versandwege entgegennehme, seien die Unternehmen nicht auf dem gleichen Markt tätig. Der Senat wisse, dass es in jeder Stadt Goldankaufstellen in größerer Zahl gebe. Dass Personen, die ihr Gold in ein nahe gelegenes Ladengeschäft in ihrer Stadt bringen könnten, dieses stattdessen auf dem unsicheren und kostenauslösenden Postweg an einen Aufkäufer wie die Klägerin versenden, erschien den Richtern lebensfremd. Der Verkäufer habe keinen Zugriff auf sein Gold, während es unterwegs sei und geprüft werde und müsse für den Versand sogar Kosten aufwenden. Die örtliche Zuständigkeit des Gerichtes in der Stadt T. werde dadurch nicht begründet.

OLG Celle vom 8.3.2012, Az. 13 U 174/11
JurPC Web – Dok. 57/2012, Abs. 1 -14

5. LG Berlin: »Generaleinwilligung« in E-Mail Werbung reicht nicht
Im März 2011 erhielt Georg D. Werbung per E-Mail. Herr D. erklärte, mit der Zusendung von Werbung per E-Mail kein Einverständnis erklärt haben. Der Versender der E-Mail berief sich darauf, dass Herr D. im August 2009 seine Einwilligung zum Erhalt von Werbung per E-Mail, sogar im sogenannten »Doppel-opt-in-Verfahren« erklärt habe.

Das LG Berlin verurteilte das Unternehmen wegen belästigender E-Mail-Werbung. Die entsprechenden Klauseln, auf die sich das Unternehmen berief, seien unwirksam, weil sie nicht konkret auf die Art der Werbung (Telefon, E-Mail, Post) bezogen seien. Einheitliche Einwilligungserklärungen für mehrere Werbeformen seien unwirksam. Außerdem sei die angebliche Einwilligungserklärung vom August 2009, also circa eineinhalb Jahre vor Zusendung der E-Mail und damit am Tag der Zusendung erloschen.

An das Vorliegen einer Einwilligung für die Zusendung von Werbung seien strenge Anforderungen zu stellen. Sie müsse für den konkreten Fall erteilt worden sein. Der Teilnehmer müsse wissen, worauf sich seine Einwilligung beziehe Eine »Generaleinwilligung« gegenüber jedermann sei nicht möglich.

Da die streitgegenständliche Einwilligung einen nicht begrenzten Kreis von nicht genannten Unternehmen aus allen möglichen Branchen mit allen Werbemittel erfasse, sei sie unzulässig. Eine einmal erteilte Einwilligung beziehe sich auch nur auf die darauf folgende Zeit. Nach eineinhalb Jahren sei sie erloschen.

LG Berlin vom 9.12.2011; Az. 15 O 343/11
WRP 2012, S. 610

6. LG Baden-Baden: Übergabe eine Visitenkarte reicht als Einwilligung zur E-Mail-Werbung nicht aus
Im Rahmen eines Vortrages hatte der Referent einem Teilnehmer eine Visitenkarte über-geben. Im Anschluss an die Veranstaltung erhielt der Teilnehmer dann Werbung per E-Mail vom Veranstalter.

Das LG Baden-Baden hielt dies für unzulässig. In der Übergabe einer Visitenkarte liege keine ausdrückliche Zustimmung mit der Werbung per E-Mail. Auch wenn der Referent während der Veranstaltung immer gefragt habe, ob Werbung übersandt werden dürfe, könne dies nicht als Einwilligung gewertet werden. Auch sei der Absender in der Werbung nicht ersichtlich gewesen.

LG Baden-Baden vom 18. 1.2012; Az. 5 O 100/11
 WRP 2012, S.612

7. LG Hamburg: Arztwerbung bei Groupon »marktschreierisch«
Ein Augenarzt hatte in dem Internetportal »Groupon« für Augenlaserbehandlung für 999 Euro statt für 4200 € geworden. Das LG Hamburg verbot diese Werbung als berufswidrig, weil marktschreierisch. Anpreisend sei eine Werbung mit reißerischen, marktschreierischen Mitteln. Sie ist gekennzeichnet durch Übertreibungen und die Verwendung von Superlativen mit dem Ziel, die eigene Leistung besonders wirkungsvoll herauszustellen und die Zielperson suggestiv zu beeinflussen. Durch den Hinweis »Jetzt kaufen!« werde der Verbraucher zudem unter einen gewissen Druck gesetzt.

LG Hamburg vom 12.1.2012; Az. 327 O 443/11
WRP 2012, 602

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